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Matthäus lernt es einfach nicht

Eine Kolumne von Johnny Giovanni

Lothar Matthäus, deutscher Rekordnationalspieler, ist mittlerweile an dem traurigen Punkt angekommen, wo die Klubs nicht einmal mehr über ihn nachdenken. So tief scheint ein Verein gar nicht fallen zu können, als dass er sich auf einen Mann einlassen würde, der eine WM gewonnen hat, 1990, nicht nur irgendwie mitgewonnen, nein, er hat sie zu seiner WM gemacht. Nach Franz Beckenbauer und vielleicht noch Gerd Müller gilt Matthäus international als bedeutendster Fußballer aus Teutonien, er ist eine deutsche Ikone, aber man muss eben auch nüchtern festhalten: Nicht einmal Boris Becker hat es geschafft, seinen Ikonenstatus so gründlich zu ruinieren wie der Lothar.

Frauengeschichten und Geplapper

Die Gründe, das ist bekannt, sind zweierlei - seine Frauen und sein Geplapper. Der Lothar lernt einfach nicht, das ist das Problem. So handelt es sich bei seiner neuen Flamme Joanna - Überraschung - um eine langbeinige, osteuropäische, dunkelhaarige und deutlich jüngere Frau. Mit ihr besuchte Matthäus unter anderem das Oktoberfest, wo er sich in einem spektakulär dümmlichen Seppl-Hut ablichten ließ. Zwischendrin war selbstverständlich noch Zeit, bei den alten Kumpels in der "Bild"-Redaktion reinzuschneien und zum tausendsten Mal eine Generalbewerbung für die Bundesliga abzugeben: "Natürlich würde ich gerne in Deutschland mal zeigen, was ich leisten kann."

Dem Entertainmentbetrieb Fußball wäre das nur zu wünschen, aber wohin mit dem Lothar? Wer nimmt ihn? Nürnberg war vor ein paar Jahren mal kurz davor, aber als er dann ante portas stand, protestierten die Fans so massiv, dass der Klub das Projekt lieber stornierte.

Durchwachsene Erfolgsbilanz als Trainer

Es ist ein Dreiklang der Abschreckung, der Matthäus so schwer vermittelbar macht. Erstens bekommt man mit ihm als ehemaligem (und kontroversem) Bayern-Spieler sofort Ärger mit den eigenen Anhängern. Zweitens holt man sich mit ihm, siehe oben, immer auch den Boulevard ins Haus. Und drittens legen seine zehn Jahre im Beruf, bei Rapid Wien, Partizan Belgrad und der ungarischen Nationalmannschaft, bei Atletico Paranaense (Brasilien), Red Bull Salzburg, Maccabi Netanya (Israel) und in Bulgarien jetzt auch nicht unbedingt die Schlussfolgerung nahe, dass es sich um eine epochale Trainerbegabung handelt, deren fachliche Vorzüge die ganzen anderen Nachteile aufwiegen.

Klar, Franz Beckenbauer erzählt immer wieder gern, dass Matthäus schon als Spieler ein halber Trainer war und sich jetzt gar zu einem "ausgezeichneten" Vertreter seiner Zunft entwickelt habe. Sogar beim FC Bayern könnte er sich ihn vorstellen: "Lothar würde ich es hundertprozentig zutrauen." Insgesamt wird der Trainer Matthäus in Deutschland nicht so schlecht gesehen wie die Person Matthäus. Dabei wäre es umgekehrt vielleicht angebrachter.

"Taktische Dinge erklären - das hat er nie gemacht"

Wirkliche Erfolge sucht man in seinem Wirken jedenfalls vergeblich. Dem stolzen Traditionsklub Rapid hat er mit einem 8. Tabellenplatz die schlechteste Platzierung seit der österreichischen Ligagründung 1911 eingetragen. Bei Partizan gewann er zwar seinen einzigen Trainertitel, die serbische Meisterschaft, und führte den Klub sogar in die Champions League; allerdings übernahm er dort während der Saison ein fertiges, bereits erfolgreiches Team und übergab ein Jahr später ein kriselndes Team. Ungarn, wo er zwei Jahre am Stück und damit so lang wie nirgends sonst werkelte, brachte er der Qualifikation für die WM 2006 nicht einmal nahe. "Lothar hat immer ein gutes Training gemacht", sagte einmal rückblickend Nationalspieler Pal Dardai. "Aber taktische Dinge vor der Mannschaft zu erklären und eine Richtung vorzugeben - das hat er nie gemacht."

Auch bei seiner nächsten Station hatte er kein Glück. Als Trainer der RTL2-Trash-TV-Combo Borussia Banana verlor er das Finale gegen eine Allstar-Auswahl des FC St. Pauli. Aus Brasilien machte er nach acht Spielen wieder los, in Salzburg konnte er als Co-Trainer von Giovanni Trapattoni die Flasche auch nicht voller machen, in Israel wurde er danach ebenfalls entlassen und in Kamerun wollte ihn die Frau des Staatschefs wegen seiner Frauengeschichten erst gar nicht haben. Also hieß die vorerst letzte Ausfahrt Bulgarien. Bei Amtsantritt versprach Matthäus die Qualifikation für ein großes Turnier. Gut ein Jahr später, die Ergebnisse wurden immer schlechter, folgte die Entlassung.

Publicity-Faktor Matthäus

Immerhin, er hat was her gemacht. Bis hoch zum Ministerpräsidenten ("Das Maximum, das er hier rausholen kann, ist, noch mal zu heiraten") wurde über seine Frauengeschichten gewitzelt, und Bulgarien war endlich mal wieder präsent im internationalen Kickergewerbe. "Alles kein Problem", hat Dardai über Matthäus' Amtszeit in Ungarn gesagt, und das auch aufrichtig so gemeint: "Das waren zwei Jahre, und die Leute haben sich für den ungarischen Fußball interessiert und darüber gesprochen."

Wer also? Wer in Deutschland könnte ihn gebrauchen? Es müsste ein Bulgarien oder Ungarn des Vereinsfußballs sein, ein Zweitligist vielleicht, einer, der Publicity will und ein bisschen Punk. Der in erster Linie nicht den Trainer Matthäus will, sondern den Menschen Matthäus, und wo am besten ein Mäzen das Sagen hat, einer, der nicht erst tausend Gremien und Fanklubs zu der Personalie befragen muss. So etwas wie früher Fortuna Köln mit Jean Löring fällt einem ein, vielleicht auch LR Ahlen oder Tennis Borussia Berlin.

Aber dieses Früher, das gibt es nicht mehr. Im heutigen deutschen Fußball, DFL-proofed, radikal durchlizenziert und durchjugendakademiesiert, ist kein Platz mehr für bunte Hunde und kleine Spinnereien. Und damit auch nicht für Lothar Matthäus.

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